Kundeninterview: In der Fahrradbranche Personal optimal einarbeiten


Es ist heutzutage eine große Aufgabe, neues Personal zu gewinnen. Wenn dieser Schritt gelungen ist, steht aber schon das nächste Problem an: Wie arbeitet man die neuen Kolleginnen und Kollegen ein? Heute existieren neue Tools, um diesen Prozess effizienter zu gestalten und zu beschleunigen. E-Learning im Fahrradhandel kann eine Lösung sein.
Velobiz: Warum ist ein angemessenes Onboarding für neue Angestellte so wichtig?
Marco Reyhle: Das A und O ist, dass die Mitarbeiter kompetent sind, weil wir die Kunden top beraten möchten, damit sie mit ihrem Rad zu 100 Prozent zufrieden sind. Letzten Endes ist uns wichtig, dass ein Kunde wiederkommt. Und das tut er nur, wenn er sich gut beraten und betreut fühlt.
Worin liegt die Herausforderung beim Einarbeiten neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Es gibt kaum »schlüsselfertige« Mitarbeiter. Der Grund ist das extreme Wachstum der Branche, weshalb wir nicht umhinkommen, Quereinsteiger auszubilden. Diese haben aber oft nur wenig Berührungspunkte mit der Radbranche, auch bei ähnlichen vorherigen Tätigkeiten. Darum benötigt die Einarbeitung sehr viel Zeit, die aber eigentlich nicht vorhanden ist, weil im Geschäft meistens sehr viel los ist, da die Nachfrage derzeit einfach sehr groß ist. Das Ziel ist daher, neue Mitarbeiter schnell fit zu bekommen, damit sie schon nach kurzer Zeit effizient arbeiten, produktiv werden und Erfolgserlebnisse haben. So kommt keine Frustration auf und sie bleiben motiviert.
In welchem Bereich haben Quereinsteiger die größten Probleme?
Wir arbeiten letzten Endes in zwei Bereichen mit Quereinsteigern: Im Verkauf ist das Problem, dass die Mitarbeiter ein sehr breites Wissen beherrschen müssen. Die Radbranche ist sehr viel »breiter« aufgestellt als andere Branchen im Einzelhandel. Es gibt viel mehr zu lernen und zu wissen.
Wir haben 40 Marken mit 20 verschiedenen Fahrradkategorien von Kids bis E-Bike. Hinzu kommt Zubehör mit nochmals Hunderten an Produkten. Es gibt 200 verschiedene Schaltgruppen sowie zehn Motorhersteller mit je ca. drei verschiedene Motoren, Displays, etc. – und bei allen muss man die entsprechende Kompatibilität zueinander beachten.
Bei den Mechanikern gibt es viele Tätigkeiten, bei denen wirklich Feinmotorik gefragt ist. Es gibt eben doch viele Unterschiede zu den großen Teilen am Auto. Besonders wenn es darum geht, Schaltungen korrekt einzustellen oder auch Laufräder zu zentrieren, tun sich viele schwer.
Ab welcher Unternehmensgröße lohnt es sich, sich über E-Learning im Fahrradhandel Gedanken zu machen?
Es hat weniger mit der Unternehmensgröße zu tun, sondern glaube eher mit den Zukunftsplänen. Wer wachsen will, muss permanent Mitarbeiter ausbilden und sich dabei zwangsläufig sehr oft wiederholen. Das ist zum einen zäh und als Inhaber hat man eigentlich andere Aufgaben. Ein effizientes Ausbilden der Mitarbeiter ist einfach ein großer Aufwand, der mit sehr viel Zeit verbunden ist und idealerweise genauen Strukturen und Standards folgt.
In der Praxis ist aber nicht jeder Tag gleich, manchmal kommt etwas dazwischen, dann lässt man beim Einarbeiten etwas weg. Aber gerade dieses Detail hätte der Mitarbeiter dann vielleicht in einem Verkaufsgespräch gebraucht. Das Ergebnis sind dann Mitarbeiter mit unvollständigem Wissen, die den Kunden nicht optimal beraten können. Das kann zu weniger Verkäufen und vielleicht sogar zu unzufriedenen Kunden führen, die dann wiederum eine schlechte Bewertung im Netz hinterlassen.
Wie lange dauert es jetzt, bis neue Mitarbeiter vollwertig mitarbeiten können? Wie war es zuvor?
Das hängt natürlich auch von den beiden Fragen ab: Wie schnell lernt jemand? Und wie lernfähig ist jemand grundsätzlich? Im Verkauf haben wir bisher immer ein halbes Jahr gebraucht. Das geht jetzt schon deutlich schneller. Die Zeit, die ich selbst in einen neuen Mitarbeiter investieren muss, liegt jetzt ungefähr noch bei zehn Prozent im Vergleich zu vorher. Sowohl der Aufwand als auch damit die Kosten haben sich also um den Faktor 10 reduziert. Das hätte ich so nie gedacht, aber das ist natürlich genial.

Die Mitarbeiter schauen sich die Videos an, füllen die Workbooks aus und dann können wir sie eigentlich schon auf die Kunden loslassen. Im Werkstatt-Bereich bei den Mechanikern ist es ähnlich. Da haben wir für Quereinsteiger immer drei bis vier Monate gebraucht. Da sind wir jetzt bei 25 Prozent, also Faktor 4, weil hier doch noch mehr praktische Übung nötig ist, bis ein neuer Mitarbeiter auf einem effizienten Niveau ist.
Welche Möglichkeiten haben Sie in Betracht gezogen, um diesen Prozess der
Einarbeitung zu optimieren? Was hat funktioniert, was nicht?
Wir haben zum Beispiel Meetings abgehalten – oft nach Ladenschluss. Das war nicht ideal, denn wer schon acht Stunden gearbeitet hat, will auch mal nach Hause zur Familie. Dann haben wir auch einen eigenen Versuch mit einem Handbuch gestartet, das aber letztlich nicht gelesen wurde. Und natürlich haben wir auch probiert, erfahrene Mitarbeiter zur Einarbeitung einzusetzen. Das hat zwar meine zeitliche Belastung verringert, aber letztlich wird das Problem so nur verlagert und es stehen wichtige Mitarbeiter weniger für ihre Kernaufgaben zur Verfügung.
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